Wo Surfen Freiheit bedeutet
von Friederike Hiller
Die Sehnsucht nach dem Meer ist die Sehnsucht nach der Freiheit.
„Wenn sie ins Wasser gehen, fühlen sie sich stark, unbesiegbar. Dann scheint alles möglich.“ Das Gefühl von Freiheit, dass Surfer überall auf der Welt lieben, bekommt in dem überwiegend islamischen Land Bangladesch eine ganz andere Bedeutung. Im Weltspiegel der ARD hat Gábor Halász, ARD-Studio Neu-Delhi, in seinem Beitrag „Bangladesch: Die mutigen Surferinnen von Cox's Bazar“ einen intensiven Blick auf eine von Männern dominierte Gesellschaft geworfen, in der junge Frauen beim Surfen entdecken, was Freiheit bedeutet.
Starke Frauen und ihre (Surf-)Träume
„Ich heirate nur einen Mann, der mir erlaubt, mein eigenes Leben zu leben“, sagt die 13-jährige Surimi. Wird sie diesen Traum leben können. Einen Traum, in dem sie Medizin studiert, surft und nicht von ihrem Mann geschlagen wird. Ein Leben in Selbstbestimmung, ein Leben auf den Wellen, davon träumte auch Nasimi, bis sie verheiratet wurde. Dann schloss ihr Mann sie zu Hause ein, drohte damit, sie zusammenzuschlagen, wenn sie wieder surfen geht. Jetzt vermisst die 18-Jährige das Meer und damit auch ihre Freiheit. „Sie hat keine besondere Rolle“, erklärt ihr Mann sein Geschlechterverständnis. Er hat kein Unrechtsbewusstsein. Gábor Halász berichtet von der Interviewsituation: „Ich habe dann auch gefragt, wie er der Frau, die er liebt, das Surfen verbieten kann. Schließlich bedeutete ihr das so viel. Aber der Sinn der Frage kam gar nicht an.“
Die Männer stehen am Strand, schauen den acht jungen Mädchen zu, die im Surfclub trainieren, und urteilen: Dass Frauen surfen, gehört sich nicht – und schon gar nicht in aller Öffentlichkeit. Wenige Ausnahmen gibt es, wie den Surflehrer Shaifullah. „Wir haben hier so einen langen Strand. Wir könnten Tausende Surfer trainieren. Wenn Mädchen darunter sind, dann ist das gut für unser Land. Mädchen spielen doch auch Cricket und Fußball, jetzt surfen sie.“
Die Mädchen halten sich an Kleidervorgaben. Keines ist in Lycra oder Boardshorts zu sehen. Ein Bikini undenkbar. Selbst über dem Neoprenanzug tragen sie noch einen Rock. Sie paddeln die Welle an, sie werden von ihr getragen und springen mit Leichtigkeit auf, surfen die Welle. Mit einem Lachen auf dem Gesicht. Stolz und Selbstbewusstsein hat ihnen das Surfen gegeben und auch in dem Betrachter der Szene macht sich die Hoffnung breit, dass sie es schaffen mögen. Dass das Surfen ihnen hilft, ihren Traum leben zu können. Und gleichzeitig kommt mit der nächsten Welle, die die fröhlichen Mädchen auf ihren Surfbrettern erreicht, die Traurigkeit zum Zuschauer. Über die Lage der Frauen in diesem Land, die Diskriminierung und die Gewalt gegen sie.
„Wenn sie diesen Moment doch nur festhalten könnten“, beendet der Autor seinen Bericht, der traurig macht und den Begriff Freiheit in Bezug auf das Surfen in ein neues, intensives Licht setzt.
Photo credit: digital Battuta via Visualhunt / CC BY-ND