Achter in Erfolgs-Harmonie
von Friederike Hiller
Die johlende und klatschende Menschenmenge treibt sie an, acht Männer und Frauen ziehen die Ruder kraftvoll durchs Wasser. Reinstechen, ziehen, rausnehmen, rollen – möglichst Synchron. Nur noch wenige Meter, dann kommt der Schülerbootssteg in Sicht: Das Ziel ist erreicht. Die Muskeln halten durch – doch keinen Ruderschlag länger hätte die Strecke sein dürfen. Das Stadtachter-Rennen zur Kieler Woche hat Tradition. Zum 21. Mal werden am Mittwoch die Achter auf die 1000-Meter-Strecke gehen. In den vergangenen drei Jahren kam das schnellste Boot vom Ersten Kieler Ruder-Club. Die Titelverteidigung ist daher ihr erklärtes Ziel.
Getragen von der Menschenmenge
Nicht nur Segler kämpfen mit Wellen und Wind während der Kieler Woche. Auch die Ruderer wagen sich zum Rennen auf die Kappelwelle der Innenförde. Bereits der Gang zum Wasser ist ein Abenteuer. Durch die abendlichen Menschenmasse auf der Kiellinie muss das etwa 17 Meter lange Boot von den jeweils vier Männern und Frauen sowie dem Steuermann bzw. -frau des Ruder-Mixed-Teams getragen werden. „Es ist toll, wir schreiten in unseren Trikots durch die Menschenmenge“, freut sich Ulrike Zumegen. Der Startpunkt ist dann an der Blücherbrücke.
Harmonie statt Wumms
„Wir haben schon ein bisschen Druck, wieder zu gewinnen“, berichtet Schlagmann Julius Neumann. „Wir wissen auch nie, wie die anderen drauf sind“, ergänzt Ulrike, die gerne in der sehr durchmischten Mannschaft mit einer Altersspanne von 16 bis 59 Jahren rudert. „Jeder bringt etwas mit ein. Die Erfahrenen lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Nur mit Jüngeren wäre vielleicht der ,Wumms’ größer, aber es ist viel wichtiger, dass alle harmonieren und das Boot steht“, so Julius, der den technischen Sport liebt und insbesondere dann, wenn das Boot richtig läuft und sie durchs Wasser pflügen. „Das kommt in jedem Muskel an.“
„Rudern ist Zusammenarbeit“
Im Achter werde aus einem Haufen Individualisten eine Mannschaft. „Rudern ist Zusammenarbeit. Das Team kann noch so stark sein, wenn es nicht harmoniert, wird das trotzdem nichts“, erklärt Ulrike. Nur gemeinsam könne man das Boot vorantreiben. Und jeder einzelne sei dabei wichtig. „Wegen der Chancengleichheit dürfen keine Aktiven mitrudern, die in dem Jahr an DRV-Wettkämpfen teilnehmen (Junioren, Senioren, Masters). Dieser Wettbewerb wird bewusst freizeitsportlich ausgerichtet. Somit ist es für jeden Kieler Ruderverein möglich, erfolgreich daran teilzunehmen“, lauten die Regeln. „1000 Meter sind ganz gut, weil wir alle keinen Leistungssport mehr machen“, ordnet Julius die Streckenlänge ein. Normal wären zwar 2000 Meter, aber mental stellen sie sich auf die 1000 Meter ein, teilen sich die Strecke anders ein und sind dann platt, wenn sie durchs Ziel rudern.
Bloss keinen Krebs fangen
„Wir lieben die Förde und rudern auf der Förde“, schwärmt Ulrike von ihrem Heimrevier. Doch zur Kieler Woche sind die Wasserzeiten begrenzt. Zu dem in Kiel meist vorhandenen Wind gesellen sich noch viel mehr Bootswellen als schon zu normalen Zeiten. Aber, obwohl der Achter sehr anfällig für Wellen sei und gerne mal ein bisschen vollschwappe, liegt das Problem eher an Land. Vor den Clubgebäuden und Bootshallen befinden sich nun Zelte, Stände und viele entlang schlendernde Menschen. Vielleicht wäre ein Training um 6 Uhr morgens noch möglich – doch neun Menschen gleichzeitig zum Training zu bekommen, sei schon schwierig genug. Daher war die Generalprobe vor dem Kieler Stadtachter Rennen bereits am vergangenen Mittwoch. „Die ist gut gelaufen. Wir sind technisch stark. So eine gute Mannschaft hatten wir bisher noch nie.“ Allerdings könne das auch daran liegen, dass sie in diesem Jahr bereits doppelt so häufig zusammen draußen waren wie in den vergangenen Jahren, berichtet Julius. Jetzt darf nur im Kappelwasser der Kieler Förde kein Fehler passieren. Immerhin geht es doch auch ein wenig ums Prestige. „Ich will gewinnen.“ Einen Krebs fangen oder vom Rollsitz rutschen, würde ihnen da einen Strich durch die Rechnung machen.
Wer mit dabei sein möchte, wenn der Startschuss zum Kieler Stadtachter fällt, braucht nur am Mittwoch ab 20 Uhr an der Kiellinie zwischen Blücherbrücke und Schülerbootssteg aufs Wasser zu schauen.