Kolumne: Ein Tümmler auf Tuchfühlung?
von Friederike Hiller
Jetzt wurden Delfine in der Kieler Förde gesichtet. Freude über ihren Anblick macht sich schon in den sozialen Netzwerken breit. Doch auch hier gilt der Aufruf von Sea Shepherd: Bitte nur von Land aus anschauen. Ihr Gesicht scheint mit dem Menschen zu kommunizieren, ihr Augen haben einen liebevollen Ausdruck und sie sind verspielt. Wer sich so angesprochen fühlt, möchte seinem Gegenüber seine Zuneigung zeigen und den Delfin streicheln. Das könne dem Tier schaden, warnt Sea Shepherd.
Große Tümmler in der Ostsee
Als zwei Große Tümmler sich die Flensburger Förde für einige Zeit als Heimat ausgesucht hatten, war die Begeisterung groß. Die Menschen pilgerten zum Ufer oder versuchte mit Booten, den Tieren möglichst nahe zu kommen. Die Delfine schwammen neugierig zu den Booten. Doch hätten sie vielleicht als es immer mehr wurden gerne einfach nur ihre Ruhe gehabt? Einfach mal abtauchen? Sea Shepherd Deutschland hat auf seiner Internetseite trotz aller Euphorie um einen verständnisvollen und tiergerechten Umgang mit den Meeressäugern gebeten. „Auch wenn die Delfine offenbar freiwillig zu den Booten kommen, bedeutet das bei zu vielen Fahrzeugen unweigerlich großen Stress für die Tiere. Unterlasst es bitte unbedingt, sie zu verfolgen, einzukreisen oder gar anzufassen. Durch Berührungen können menschliche Krankheiten auf die Delfine übertragen werden. Setzt bitte euren gesunden Menschenverstand ein, nehmt an keinen Bootstouren teil und beobachtet die Tiere nur von Land aus.“

Studien über Menschen - Studien über Delfine?
Das Wildtier Delfin hat die Menschen quasi schon immer begeistert. Hofft der ein oder andere Mensch, sich durch Nähe zum Tier dessen Liebe zu sichern? Interpretiert der Mensch da nicht vielleicht ein bisschen viel in ausdrucksstarke Delfinaugen? Der daraus entsprungene Wunsch, sich an dem Tier nicht nur in freier Wildbahn zu erfreuen, sondern es sich sozusagen nach Hause zu holen, rief Tierschützer auf den Plan. Gefangenschaft um den Menschen zu erfreuen? Ist es nicht vielmehr eigentlich die Ungezwungenheit und freiheitsliebende Ausstrahlung der Delfine, die den Menschen so fasziniert?
Während in Europa immer mehr Delfinarien schließen, wurde erst Ende des vergangenen Jahres im thailändischen Phuket ein neues eröffnet. Das Delfinarium soll auch als Lernzentrum und Forschungseinrichtung dienen, schreibt Whale & Dolphin Conservation. In der Bevölkerung hagelte es Proteste.
Auch die Tierrechtsorganisation Peta informiert über den Stand der Delfinarien: „Überall auf der Welt erkennen die Menschen inzwischen, dass Delfine, Orkas und andere Wale nicht in Gefangenschaft gehören. Kanada erlaubt nicht mehr, dass Beluga-Wale gefangen und exportiert werden. Israel hat die Einfuhr von Delfinen für Unterhaltungszwecke verboten. Australien verbietet ebenfalls die Einfuhr von Delfinen. Pläne für den Bau eines Delfinbeckens im Meereszentrum in Virginia wurden aufgegeben, nachdem die Öffentlichkeit massiv protestiert hatte. In Deutschland gibt es nur noch drei Delfinarien: Nürnberg, Duisburg und Münster. Da die Proteste immer massiver werden, versucht Nürnberg sein Delfinarium durch das Angebot einer so genannten Delfintherapie zu rechtfertigen, die jedoch wissenschaftlich nicht anerkannt ist.“
So halte der Berliner Psychologe R. Brockmann, Fachmann in Sachen tiergestützter Psychotherapie, das Projekt für sinnlos und sieht darin keine Perspektive. Auch der Leiter des Berliner Institutes für Verhaltensbiologie, D. Todt, halte die Therapie für extrem bedenklich.
Das für 2007 auf Rügen geplante Delfintherapiezentrum gebaut werden, konnte jedoch erfolgreich verhindert werden. Peta zitiert dazu eine Stellungname aus dem Jahr 2007 (Journal Society GmbH): „Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz teilte inzwischen mit, dass weder die Bundesregierung noch die gesetzlichen Krankenkassen eine Delfintherapie unterstützen. Da die Bundesregierung die Delfintherapie als überwiegend kommerziell einstuft, sind Einfuhren von Delfinen für diese Zwecke ausgeschlossen, so der parlamentarische Staatssekretär Gerd Müller im Namen der Bundesregierung.“
Um die Haltung von Delfinen mit einem guten Zweck zu verknüpfen, wurde vor mehr als 30 Jahren die Delfintherapie entdeckt. Diese tiergestützte Therapie soll bei psychischen Problemen und Störungen helfen. Zahlreiche Studien über ihre Wirkung wurden geschrieben. Wie die Therapie das Leben der Delfine beeinflusst, allerdings nicht berücksichtigt.
„Im Zentrum dieser Behandlungsform liegt die therapeutisch begleitete Delphininteraktion, die – ganz allgemein gesprochen – eine stimulierende Wirkung auf den menschlichen Organismus ausübt und so einen Entwicklungsprozess begünstigt“, schreibt Norbert Trompisch vom Institut Dolphinswim, das zugleich auch ein Reisebüro ist und Delfintherapie in der Türkei anbietet. Auf den Seiten des sogenannten Instituts führt Trompisch viele Studien an, die die Wirkung der Therapie beim Menschen bestätigen sollen.
So sollen die Ergebnisse der Nürnberger Delphintherapie-Studie von Breitenbach, v. Fersen und Stumpf zeigen, dass die Delphintherapie positive Veränderungen in der Kommunikationsfähigkeit, positive Veränderungen im sozial-emotionalen Verhalten und der emotionalen Stabilität der Kinder, positive Veränderung in der Mutter-Kind-Interaktion bewirke und darüber hinaus effektiver als andere tiergestützte Therapien sei. „Es konnte dabei festgestellt werden, dass die Therapiewirkung maßgeblich vom jeweiligen Störungsbild abhängt. So profitieren autistische Menschen insbesondere in Bezug auf ihre sozialen Kompetenzen, Menschen mit Downsyndrom und jene mit Entwicklungsverzögerungen im sprachlichen Bereich. Die Therapiewirkung bei schwersten Behinderungsformen wie Wachkoma ist vergleichsweise gering.“ Allerdings muss er dann auch einräumen, dass die „bisherigen Effektivitätsstudien zum Teil unter methodischen Mängeln litten. Die Frage der Wirkfaktoren in der Delphintherapie ist bis jetzt nicht befriedigend beantwortet.“
Mensch-Tier-Begegnung als Wellnessprodukt
Die Whale and Dolphin Conservation Society empfiehlt daher die Delfingestützte Therapie einzustellen. In einer Faktensammlung kommt sie zu dem Fazit, dass die Therapieform ethische Fragen aufwirft und Risiken sowohl für Delfine als auch für Menschen birgt. Das sei insbesondere in der gegenseitigen Krankheitsübertragung und in einem möglichen aggressiven Verhalten des Wildtiers begründet. „Die zunehmende Beliebtheit der DAT (Delfintherapie, Anm.d.Red.) und die starke Zunahme von DAT-Zentren erklärt sich einerseits aus dem wachsenden Bedürfnis vieler Menschen, mit Tieren in Kontakt zu treten, andererseits durch
die Tatsache, dass diese Mensch-Tier-Begegnung als Wellnessprodukt äußerst erfolgreich kommerziell vermarktet wird. Im Grunde genommen gibt es keinen schlüssigen wissenschaftlichen Beweis, dass die DAT effizienter als andere tiergestützte Therapien wirkt oder dass die Therapie überhaupt einen nachhaltigen Nutzen hat.“
Es wird zudem das Fehlen jeglicher offizieller Vorgaben oder kontrollierter Standards und der damit verbundenen unkontrollierten Entwicklung dieser Branche rund um den Globus bemängelt. „Die Tatsache, dass keine wissenschaftlichen Belege dafür existieren, dass die DAT in irgendeiner Weise wirksamer ist als jede andere tiergestützte Therapie und dass kein längerfristiger Nutzen für die behandelten Personen nachgewiesen werden konnte“, führt zu der Forderung der Organisation, die Therapieform einzustellen.