Intensivste Segelerfahrung
von Friederike Hiller
Die längste Strecke Offshore liegt hinter Susann Beucke. Die Seglerin gehört zum Etappensieger, dem Holcim-PRB-Team und segelte beim The Ocean Race von den Kapverdischen Inseln nach Kapstadt. Nach ein paar Tagen Urlaub, die sie zur Regeneration nutzen konnte, ist sie gut gelaunt am Telefon.
So ganz sicher ist sie nicht, ob es wirklich die längste Strecke war, aber mit Sicherheit war es die intensivste Segelerfahrung, so Susann. „Das Boot hat es intensiv gemacht.“ 2017 bei der Atlantiküberquerung war sie auf einem 50 Fuß Boot aus Stahl unterwegs. Ein ganz anderes Segelgefühl als auf der Imoca. „Es ist immer laut, immer in Bewegung. Und es bewegt sich auf eine Art und Weise, dass es gefährlich ist, sich unter Deck zu bewegen.“
Foto: PolaRYSE/Team Holcim PRB
Körperlich fit
Die erste Etappe von Alicante nach Kap Verde verfolgte sie an Land. „Es sind wichtige Infos: Wie wird das Wetter aufbereitet, wie vorgegangen, wenn es technische Probleme gibt.“ Sie beobachtete, wie die vorher an Land geplanten Manöver auf See umgesetzt wurden. „Die Etappe war so kurz, dass das vorher geplant werden konnte.“ Auf der zweiten Etappe waren alle antizipierten Möglichkeiten nach vier bis fünf Tagen passé. Sie war mit wenig Vorstellungen an Bord gegangen. Doch klar sei ihr gewesen, dass es hart werden und ihre größte Herausforderung sein würde, die sie je gemacht habe. „Körperlich bin ich gut durchgekommen.“ Außer ein paar blauen Flecken sei der Körper fit. „Ich bin ein Teammensch und war überrascht, dass der Teamaspekt herausfordernd war.“ Die Müdigkeit habe die eigene Wahrnehmung verzerrt und auch die Sprache habe ein bisschen Schwierigkeiten gemacht. Nach einem Jahr in Frankreich könne sie zwar mittlerweile gut französisch verstehen, aber sobald schnell und in diversen Slangs gesprochen werde, werde es schwierig.

Foto: PolaRYSE/Team Holcim PRB
Auf Performance ausgerichtet
Für die erste Überquerung des Äquators eines/r Segler*in gibt es Rituale. Auf anderen Booten wurde das beispielsweise mit Konfetti gefeiert – wie Susann berichtet. Sie habe geschlafen. Das bedauert sie aber auch nachträglich nicht. „Unser Team ist ganz auf Performance ausgerichtet, daher hat es mich nicht überrascht, dass nichts gemacht wurde.“
Es sei wichtig, dass der Skipper den Charakter des Teams festlege und sich alle Teammitglieder diesem fügen. „Man muss es schaffen, sich einzugliedern.“ Dass es neben Performance, Verbesserung, schneller, höher, weiter auch ein emotionales Team an Bord ist, hat Susann ein wenig überrascht. Auf langen Regatten hatte sie damit gerechnet, dass sich Ausdauer auszeichnet und Impulsivität sowie Emotionalität eher in Disziplinen stattfinden, die kurzzeitiger sind. „Bisher funktioniert das gut. Never change a running system“, fasst Susann die Vorzüge ihres Teams zusammen. Trotzdem hat sie ihre ganz eigenen Vorstellungen, wie sie gerne mal als Skipperin agieren möchte. „Hoffentlich ist es irgendwann mal soweit.“ Auf Olympiakampagnen habe sie gelernt, dass es wichtig ist, jeden Charakter mit seinen Stärken und Schwächen zu unterstützen, um das Potenzial ganz gezielt abrufen zu können. Das Gefühl eine Familie und ein eingeschworenes Team zu sein sorge dafür, dass man bereit sei, alles zu geben und für das gemeinsame Ziel zu opfern. Ein gemeinsames Leitbild, ein übergeordnetes Ziel (mehr als nur der Sieg), wofür man alles geben wolle, sei wichtig herauszustellen.
Foto: PolaRYSE/Team Holcim PRB
Der winkende Seehund
Highlights habe es viele gegeben. Es seien vor allem die kleinen Dinge gewesen. „Ein intensiver Sonnenstrahl auf dem Gesicht, das war einfach schön in dem Unluxeriösen an Bord.“ Und dann 100 Meilen vor Kapstadt, als die Seehunde ihnen winkten. „Sie treiben unter der Meeresoberfläche, sonnen sich und halten eine Flosse nach oben und grüßen. Das hat gute Laune gemacht.“ Und dann an Land zu kommen und von der Shore-Crew gerührt begrüßt und bejubelt zu werden, aber auch von der eigenen Familie, sei auch einer dieser besonderen Momente gewesen.

Foto: PolaRYSE/Team Holcim PRB
Phasen mit Sichtkontakt
Viele Meilen segelten die Teams ohne einander zu sehen und dann kamen sie doch auf Sichtweite aneinander heran. Susann Beucke, die es als Seglerin im 49erFX gewöhnt war, direkt gegen die Konkurrenz zu segeln, freute das sehr. „Es ist ein anderes, intensiveres Gefühl, die anderen zu sehen. Zu sehen, welche Segel sie oben haben oder wie sie ihr Boot einstellen.“ Das versetze sie noch mehr in den Performance-Modus. „Dann will man schneller und besser sein als die anderen.“ Das ist zwar auch das Ziel, wenn die anderen außer Sichtweite sind. Aber die fehlende Direktheit, wenn die anderen nur über den Tracker verfolgt werden können, mache es schwieriger, aber nicht weniger spannend.

Foto: Sailing Energy/The Ocean Race
Auf festem Boden
Zurück an Land gab es trotz der vielen Tage auf See keinen unter ihren Füßen schwankenden Boden. „Das habe ich kein einziges Mal gemerkt. Es ging auch alles so schnell.“ Erst die Begrüßung auf dem Steg, dann Preisverleihung, dann Einreiseformalitäten erledigen: „Da hatte ich gar nicht die Möglichkeit, zu fühlen, wie es mir gerade geht.“

Foto: Sailing Energy/The Ocean Race
On- oder Offshore?
Am Montag wird bekanntgegeben, wer auf der nächsten Etappe mitsegeln wird. Egal, ob Susann Beucke mit an Bord ist oder nicht: Mit anpacken wird sie auf jeden Fall. Beispielsweise bei der Essensplanung. „Die wird oft unterschätzt, ist aber extrem wichtig.“ Und so wird sie ihren Beitrag leisten – On- oder Offshore.
Bildnachweis Titelfoto: PolaRYSE/Team Holcim PRB

Foto: PolaRYSE/Team Holcim PRB